06.2006 - SESB-Abi-Feier -

Redebeitrag anlässlich des 1. SESB-Abi-Feier

Redebeitrag anlässlich des Festaktes für die ersten Absolventen - AbiturientenInnen der Staatlichen Europa-Schule Berlin am 22. Juni 2006 im Roten Rathaus
Uwe Otto - Vorsitzender der AG ISFE

Liebe Abiturientenlnnen, sehr verehrte Europastaatssekretärin Frau Helbig, sehr verehrter Herr Senator Böger, Mitglieder des Berliner Angeordnetenhauses, liebe Gäste der SESB,

Ich begrüße Sie ganz herzlich zum heutigen Festakt im Namen der Europa Union Berlin e.V. und der AG ISFE (Arbeitsgemeinschaft internationale Schule für Europa). Ich freue mich, dass ich in meiner Funktion als langjähriger Elternvertreter und Mitstreiter bei der Verstetigung des Europa-Schul-Konzeptes (11 Jahre) auch ein Grußwort an Sie richten darf.

Zur Einführung in meinen Beitrag eine kurze Zusammenfassung wichtiger Fakten zur SESB:


1984 begannen die ersten Bemühungen, in Berlin eine Europäische Schule zu gründen.
1986 hat sich die Europa-Union Berlin e.V. dem Thema angenommen und zur Bündelung der Aktivitäten die AG ISFE gegründet.
1990 gab es die erste politische Willenserklärung zur Gründung einer Europäischen Schule des damaligen Bildungssenators Klemann.
1991 wurde die Gründung der Staatlichen Europa-Schule Berlin (SESB) als Gesamtschule vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen.
1992/93 war es dann soweit. Das Konzept einer Begegnungsschule mit besonderer pädagogischer Prägung wurde mit der Verabschiedung der ersten Genehmigungsbescheide für die Sprachen Englisch, Französisch und Russisch Realität.
Es sollte eine Ganztagsschule entstehen mit den Klassen von 0 bis 12 (13) mit bilingualen Sektionen. Sie sollte nach dem Abzug der Alliierten dazu beitragen, das befürchtete sprachliche Vakuum an den Berliner Schulen zu füllen.
Begonnen wurde die SESB mit 160 Schülern an 6 Berliner Grundschulstandorten.
1996 wurde zwischen der damaligen Bildungssenatorin Frau Stahmer und den Fördervereinen der erste Vertrag geschlossen, der die Eltern der SESB in die Lage versetzte, Arbeitgeber an ihren Schulstandorten zur Sicherstellung der Nachmittagsaktivitäten zu sein. (Nachdem das Geld für die Finanzierung der Nachmittagsaktivitäten in Partnersprache ausging und die ersten Erzieher ihren Arbeitsplatz verloren).
2006 sind 38 Abiturientenlnnen ans Ziel gekommen, Ihr die heute im Zentrum des Festaktes stehen.

Die SESB heute besteht aus:
18 Grundschulstandorten mit 4.183Schülerlnnen und12 Oberschulstandorte mit 1.223 Schülerinnen
Macht zusammen 5.410 Schüler (Stand März 2006).

Die SESB ist heute eine etablierte, gut funktionierende Schulform, an der sich Eltern, Lehrer und Erzieher sowie Vertreter der Berliner Bildungspolitik und der Europa-Union engagiert für die Zukunft unserer Kinder einsetzen. Allein dieses kooperative Zusammenstehen spricht für die Zukunftsfähigkeit der SESB. Ich halte sie unter dem Gesichtspunkt eines immer weiter zusammenwachsenden Europas für die Schulform schlechthin, die noch wesentlich intensiver vermarktet und über die Grenzen Berlins hinaus exportiert werden muss.

Stellvertretend für alle Eltern und deren Kinder spreche ich hiermit allen SESB-Engagierten meinen Dank dafür aus, dass wir es gemeinsam geschafft haben, dieses Schulmodell zumindest in Berlin zu etablieren:


Frau Helbig - Europastaatssekretärin des Landes Berlin - Danken wir für die intensive Pflege des europäischen Gedanken in Berlin.
Herrn Böger - Senator für Bildung, Jugend, Sport und Herrn Herrn Staatssekretär Härtel danken wir dafür, dass Sie das Konzept vorangetrieben haben und des Öfteren ein Ohr für unsere Sorgen und Nöte hatten. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren und bei der einen oder anderen anstehenden Veränderung mit unserem Erfahrungswissen gern früher oder intensiver beteiligt worden wären. So hatten wir es vor Jahren verabredet. Auch wenn häufig die Finanzen der limitierende Faktor war.
Frau von Loh, Herrn Witt danken wir stellvertretend in der Bildungsverwaltung für Ihren unermüdlich Einsatz an den vielen SESB-relevanten Schnittstellen Bezirk-Land, Eltern-Politik, Schulen-Politik, Finanzen etc.
Den Eltern danken wir für das Vertrauen in den Schulversuch und die ausgeprägte Solidargemeinschaft in den SESB-Schulen, die u.a. mit einer nicht unbedeutenden finanziellen Beteiligung in den letzten Jahren verbunden war.
LehrerInnen danken wir, dass sie das Vertrauen in sie mit ihrem Engagement bestätigt haben und die anfänglichen Defizite im SESB-Konzept häufig mit erheblicher Mehrarbeit ausgeglichen haben. Dies geschah in vielen Fällen bei ungleicher Entlohnung bzw. einer erheblichen schlechter Stellung der LehrerInnen aus den Partnerländern.
Den ErzieherInnen danken wir für die Integrationsleistung zwischen Unterricht und den Unterricht ergänzenden Nachmittagsaktivitäten.
Den Fördervereinen danken wir für ihre unermüdliche ehrenamtlich erbrachte Arbeit, die bis heute die Grundlage für den Erhalt der zweisprachigen Erziehung am Nachmittag ist.
Den SchülerInnen danken wir, dass ihr so lange durchgehalten habt, auch wenn es gerade für Euch, dem Pilotjahrgang, als Versuchskaninchen nicht immer ganz einfach war.

Liebe Abiturientenlnnen - Ihr habt heute die Ernte Eures Fleißes eingefahren und euer Reifezeugnis erhalten - Ihr seit die Attraktion des Abends.

Mit dem Abitur habt Ihr nun den Höchststand Eurer Allgemeinbildung erreicht. Ich weiß nicht, ob Euch das nun stolz oder depressiv machen soll. Stolz, weil Ihr es geschafft habt. Depressiv, weil es nun offensichtlich bergab geht. Nun muss man ohne diese Penner, Spinner und Chaoten seiner Klasse oder die Lehrer, Schulleitung oder Erzieher, die immer etwas von einem wollten, im Leben klarkommen. Ihr seit frei! Nutzt das Potenzial, welches Euch mit der Schullaufbahn in der SESB gegeben wurde.

Ich hoffe, dass eure damaligen Vorstellungen und Erwartungshaltungen an die SESB weitgehend in Erfüllung gingen und ihr das Gefühl habt, jetzt für die Zukunft gerüstet zu sein. Ihr mit Eurem Reifezeugnis die Weichen stellen könnt, die Ihr für eure Lebensplanung benötigt.

Für euren weiteren Lebensweg wünsche ich Euch viel Erfolg.

Noch ein paar Anmerkungen zum Schluss:

Der Erfolg der SESB ist unstrittig:


Was als Versuchskaninchen begonnen hat, endet in qualifizierten jungen Menschen, die über die einmalige Kompetenz verfügen, nicht nur in Deutschland ihren zukünftigen Weg zu machen.
Auch die nachrückenden Jahrgänge gehen gern in die Europaschule. Sie identifizieren sich mit dieser Schulform und sind stolz darauf, dazu zu gehören.
Englisch, Französisch und Russisch haben den ersten Durchgang mit dem krönenden Abschluss des Abiturs erfolgreich gemeistert.
Es ist sicher gestellt, dass auch die übrigen 6 Sprachen das Abitur erreichen werden.

Es gibt aber auch noch Baustellen im SESB-System, die einer Klärung bzw. Optimierung bedürfen und deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Auch sind Strukturen zerstört worden, die sich für die SESB bewährt hatten:


Es gibt noch keine einheitliche Organisationsform für die SESB.Die 3 Gliedrigkeit des Schulsystems auf der einen Seite - die Gesamtschule auf der anderen Seite - die vielleicht bessere und integrativere Lösung müsste endlich wissenschaftlich fundiert herausgearbeitet werden.
Gleiches gilt für die SESB-Standorte mit einem eigenen Schulgebäude oder als angegliederte Klassen - auch hier müsste herausgearbeitet werden, was sich in der Vergangenheit besser bewährt hat.
Vorklassen wurden auf der Grundlage des neuen Schulgesetzes unnötig abgeschafft, obgleich die Eltern bereit waren, sich finanziell an dem Erhalt zu beteiligen. Bisher blieb die Antwort aus, wie sich die neue Struktur unter Einbeziehung von Euopa-Kitas bewährt hat.
Heute werden die mühsam aufgebauten Fördervereine wegen der anstehenden Rhythmisierung und der verpflichtenden Ganztagsschule in ihrer Existenz bedroht - mit der Konsequenz, dass den mühsam akquirierten partnersprachigen Erzieher möglicherweise gekündigt werden muss. So könnten 100 Erzieherarbeitsplätze auf Kosten unserer Kinder verloren gehen.

Allein diese letzten Aspekte machen deutlich, dass wir es noch immer mit einem sensiblen Pflänzchen SESB zu tun haben, was weiter einen hohen Pflegebedarf hat, soll es nicht eingehen. Dabei sollten wir uns bewusst machen, dass der durch Sparmaßnahmen an der falschen Stelle verursachte Schaden zukünftig mit sehr viel Geld repariert werden muss. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa spricht in dem Zusammenhang für sich.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen weiterhin viel Erfolg mit der SESB. Lassen sie uns auch in Zukunft mit vereinten Kräften gemeinsam an einem Strang ziehen. Noch einen schönen Abend.

Uwe Otto
(Download des Redebeitrages als pdf-Datei [29 KB] )