10.2002 - Ganztagskonzept in den Grundschulzügen

Ganztagskonzept in den Grundschulzügen

der Staatlichen Europa-Schule Berlin: Überarbeitete Diskussionsvorlage für eine einheitliche Richtlinie

Die Grundschule der SESB soll eine Ganztagsschule mit einem integrativen sozialpädagogischen Bereich sein, der für alle Sprachkombinationen denselben Stellenwert hat.

Ziel

Ziel des integrativen sozialpädagogischen Bereichs aller Sprachkombinationen der SESB ist es, die Kinder nachmittags in beiden Schulsprachen sozial und sprachlich so zu betreuen, dass die kulturelle Begegnung beider Sprachgruppen gleichwertig gefördert wird. Die Aktivitäten sind daher so anzubieten, dass sie den schulischen Unterricht ergänzen, den Sprachunterricht aber nicht ersetzen. Sie dienen zur Unterstützung der mitteilungsbezogenen Kommunikation, bei der Kinder die Sprache als Mittel zum Zweck in natürlichen Spracherwerbssituationen gebrauchen - in der Regel um etwas Bestimmtes zu erreichen (z.B. mit den anderen Kindern zu spielen). Dabei gehen die Kinder mit der Sprache schöpferisch um und die natürliche Zweisprachigkeit wird erfolgreich erworben.

Gesetzliche Voraussetzungen

Um das o.g. Ziel zu erreichen, sind bestimmte Rahmenbedingungen zu schaffen. Die wichtigste Voraussetzung ist die Anerkennung der SESB als Ganztagsschule zweisprachiger Prägung durch den Senat von Berlin, damit eine Bemessungsgrundlage des ErzieherInnenpersonals für alle SESB-Grundschulzüge nach dem bereits existierenden Jahrearbeitsminutenmodell ermöglicht wird. Alle ErzieherInnen und pädagogischen Kräfte mit in den Herkunftsländern staatlich anerkannter pädagogischer Qualifikation werden als qualifizierte pädagogische Fachkräfte durch das Land eingestellt und gleichwertig nach dem Bundesangestelltentarif bezahlt. Somit unterliegen diese Arbeitskräfte der Dienst- und Fachaufsicht des Landes, den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland und sind der Treue- und Schweigepflicht unterworfen.

Umsetzung

Die Klassen 1 bis 6 der SESB-Grundschulen nehmen verpflichtend am bilingualen Ganztagsbetrieb für die SESB-Lerngruppen teil. Ebenso die Vorklassen, die fester Bestandteil des Erziehungskonzepts der SESB sind. Die integrative sozialpädagogische Betreuung ist von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr gesichert. Eine Früh- (6.00 Uhr bis 8.00 Uhr) und Spätbetreuung (16.00 Uhr bis max. 18.00 Uhr) sowie Ferienbetreuung können nach den spezifischen Verhältnissen einzelner Schulen angeboten werden. Für die Weiterführung der Zweisprachigkeit im Rahmen des integrativen sozialpädagogischen Bereichs stellt der Senat 50% ErzieherInnen deutscher Herkunftssprache mit guten Kenntnissen in der jeweiligen Partnersprache und 50% ErzieherInnen nicht-deutscher Herkunftssprache mit guten Deutschkenntnissen. ein. Sind zweisprachige ErzieherInnen über den sogenannten „Überhang“ nicht zu bekommen, so ist ein Einstellungskorridor für zweisprachige Erzieher-BerufsanfängerInnen zu schaffen. Einerseits erfüllt diese Forderung die Entwicklung der Bilingualität im sozialpädagogischen Bereich, anderseits würde der Altersdurchschnitt der Kolleginnen und Kollegen sinken. Eine enge Zusammenarbeit von LehrerInnen und ErzieherInnen zu einer Verzahnung von Schul- und Sozialpädagogik ist zu sichern.

Argumente für dieses Ganztagskonzept

Die Berichte aus den Europaschulen belegen eindrucksvoll, dass der Einsatz von zweisprachigen ErzieherInnen und pädagogischen Kräften, die von Konsulaten oder Eltern finanziert werden, z.T. fragwürdig ist und kritisch beurteilt wird. Weiterhin zeigt die Bestandsaufnahme, dass die angestrebten Ziele weitestgehend noch nicht erreicht wurden.
Die ganztätige Betreuung in der Schule stellt einen familienpolitischen Lösungsansatz für das Problem der Kinderbetreuung während der Berufstätigkeit beider Elternteile dar. Sie trägt insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz von Frauen und Männern Rechnung.
Gerade im Licht des deutschen PISA-Debakels ist eine Ausweitung der schulischen Ganztagseinrichtungen dringend erforderlich. In vielen europäischen Ländern ist die Ganztagsschule langjährige Praxis und integraler Bestandteil der Grundschule. Auch mit Blick auf die aktuelle Problemlage vieler Kinder und Jugendlicher (Drogenmissbrauch, Gewalt, Kriminalität, seelische Verwahrlosung, Entwicklungsstörungen durch Bewegungsarmut u.v.m.) ist der ganzheitliche pädagogische Ansatz von „Lernen und Leben“ in einer Geborgenheit vermittelnden Umgebung richtig und wichtig.
In diesem Sinn soll auch das integrative sozialpädagogische Ganztagskonzept der SESB-Grundschulzüge verstanden werden. Es vermittelt den Kindern sowohl Freude und Spaß, als auch Sinn und Wert bei der kulturellen Begegnung gleichwertiger Sprachgruppen. Im modernen Europa und in Zeiten des verstärkten Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit in diesem Europa gilt es, diese Schulform besonders zu fördern.

Berlin, Oktober 2002
AG-ISFE in der Europa-Union Berlin