05.2001 - Staatliche Europa-Schule Berlin (SESB)

SESB: Auslauf- oder Zukunftsmodell?

Statement über die Position der AG-ISFE in der Europa-Union Berlin

Die Staatliche Europaschule Berlin ist zu recht ein Vorzeigemodell der Berliner Schule: sie löst kompetent die Integration der Migrantenkinder und bereitet die deutschen Schüler in sprachlicher und kultureller Hinsicht für Europa vor. Dabei sind die ausländischen Lehrkräfte als native speaker für den zweisprachigen Unterricht der SESB unentbehrlich und müssen für ihr hochqualifiziertes Engagement entsprechend entlohnt werden.

Nach der Anhörung im Abgeordneten Haus von Berlin im November 1996 über die Gleichstellung der ausländischen Lehrkräfte wurde klar, dass neue tarifliche Vereinbarungen anzustreben in die Sackgasse führen. Damit die Arbeit der ausländischen Lehrkräfte in der SESB honoriert und entsprechend entlohnt wird, mussten andere Wege gefunden werden.

In der Tat schaffen europäische und Berliner Prämisse die Probleme:

- im Vertrag von Maastricht ist die Kulturhoheit der Länder festgeschrieben;
- im öffentlichen Dienst regelt das Land Berlin gesetzlich die Besoldungsgruppe der Beamten und Angestellten, somit sind die Gehälter der ausländischen Lehrkräfte rechtlich festgelegt;
- die Zuordnung der Gehälter erfolgt gemäß der Anerkennung der im Ausland abgelegten Prüfungen;
- dazu sind die Richtlinien bei den europäischen Vereinbarungen äußerst vag: jedes Land kann Anpassungsmaßnahmen festlegen, um Äquivalenz zu erreichen. Zuständig dafür in Berlin ist die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport; die Äquivalenz für Zugangsvoraussetzungen für den Lehrerberuf wird durch Kriterien ermittelt, z.B. durch die Dauer des Studiums, um die Anerkennung einer bestimmten Teilqualifikation zu erhalten.

Eine neue rechtliche Regelung ist insbesondere dringend notwendig für die Lehrkräfte, die keine EU-Bürger sind. Es sind die Kolleginnen und Kollegen, die in den SESB-Zweigen Dt./Russisch, Dt./Polnisch, Dt./Türkisch tätig sind. Schon 1987 wurde von der Europa-Union Berlin erkannt, dass die Realisierung des Schulprojekts ein neues Schulgesetz verlangt, als sie einen Vorschlag für eine europäische Schule in Berlin verbreitete. Z.Zt. wird an einem neuen Schulgesetz gearbeitet.

Als Ausweg für die bekannten Probleme mit der Gleichstellung der ausländischen Lehrkräfte und mit der Weiterführung der SESB in der Oberschule wäre die Staatliche Europaschule Berlin als neuer Schultyp anzuerkennen. Den Antrag um Aufnahme der SESB als neuen Schulzweig im neuen Schulgesetz wurde am 18. März 99 bei der Senatsschulverwaltung von der AG-ISFE gestellt. Dieser Schulzweig soll den gleichen Stellenwert wie das Französische Gymnasium und die J. F. Kennedy-Schule haben: eine Schule besonderer pädagogischer Prägung mit eigenem Gesetz.

Als zentrale Forderung der AG-ISFE in der Europa-Union Berlin stehen die SESB-Schulabschlüsse:

- das Abitur muss den Besonderheiten der SESB angepasst werden;
- der Schulabschluss muss einen unmittelbaren Zugang zum Hochschulstudium im Partnerland ermöglichen, und zwar ohne weitere Sprachprüfung (bilaterale Abkommen müssen dazu verhandelt werden)
- der Realschulabschluss muss ebenfalls gesichert sein.Wir wissen, dass die KMK bei solchen Sprachabweichungen das Abitur anerkennen würde und dass Berlin gute Chancen für die Zulassung eingeräumt werden, wenn der Antrag einheitlich für alle Sprachkombinationen der SESB gestellt wird.

Im Rahmen dieses neuen Gesetzes konnte der Sonderstatus der native speaker eine angepasste gesetzliche und tarifliche Regelung erhalten. Die SESB-Lehrerinnen und -Lehrer brauchen eine andere berufliche Qualifikation als die Lehrkräfte der Berliner Regelklassen, nämlich eine für den zweisprachigen Unterricht angepasste berufliche Qualifikation, die neu definiert werden muss. Das gilt ebenfalls für die Erzieherinnen und Erzieher, die eine wichtige Säule des Schulprojekts sind, weil sie die Nachmittagsbetreuung zweisprachig zu gestalten haben.

Die SESB als neuer Schultyp bei der Novellierung des Schulgesetzes anzuerkennen erfordert nicht nur der politische Wille, sondern auch die Offenheit der deutschen Lehrerverbände: die ausländischen Lehrkräfte als native speaker müssen als personelle Bereicherung der Berliner Schullandschaft betrachtet werden, und nicht als berufliche Bedrohung.

Eine solche innovative Schule kann nicht durch bestehende rechtliche Festlegungen des Berliner Schulrechts eingeengt werden. Für die Innovation sind neue Strukturen notwendig und Investitionen, damit es funktioniert. Da liegt das Problem. Wir wollen alle hoffen, dass die Staatliche Europaschule Berlin (SESB) nicht aufgrund der Finanzmisere der Stadt Berlin geopfert wird.

Berlin, den 30. Mai 2001

Nicolle Durand-Nusser
Vorsitzende der AG-ISF
Vorstandsmitglied der Europa-Union Berlin