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02.07.2003 - Die Welt -

02.07.2003 - Die Welt
Kampf um Schulplätze: Immer mehr Eltern klagen

Viele Kinder werden an ihren Wunsch-Gymnasien abgelehnt - Vergabepraxis in den Ämtern als "undurchsichtig" moniert
Von Christa Beckmann

Der Kampf um Schulplätze ist in diesem Jahr besonders hart - und er wird zunehmend vor Gericht ausgetragen. Grund: Weil der Ansturm auf die Gymnasien wächst, bekommen immer weniger Eltern für ihr Kind einen Platz an ihrer Wunschschule. Viele akzeptieren die Ablehnung nicht. Sie monieren undurchsichtige Entscheidungen und ungerechte Vergabepraxis in den Schulämtern.
"Wir haben in diesem Jahr deutlich mehr Verfahren", sagt Uwe Wegener, Vorsitzender Richter bei der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichtes. Bis gestern lagen bereits 75 Anträge auf einstweilige Anordnungen vor, mit denen Schulen zur Aufnahme von Kindern verpflichtet werden sollen. "Und täglich kommen neue dazu", sagt Wegener. In 50 Fällen geht es um einen Oberschulplatz, der Rest bezieht sich auf Vor- und Grundschulplätze.
Einer derjenigen, die vor Gericht gegangen sind, ist Uwe Blümel. Der Vater, dessen Sohn an der Marie-Curie-Oberschule abgelehnt wurde, wirft dem Schulamt Charlottenburg-Wilmersdorf "skandalöse Schlamperei" vor. Das Amt habe Plätze vergeben, ohne die Angaben der Bewerber sorgfältig zu prüfen. Während sein Sohn mit Hinweis auf den langen Schulweg (15 Minuten zu Fuß) abgelehnt worden sei, hätten Kinder, die nachweislich weiter entfernt wohnen, einen Platz bekommen. Und das, obwohl sein Sohn alle anderen Bedingungen für eine Aufnahme erfülle. Was den Vater vollends verärgert: Als Ersatz hat ihm der Bezirk nun eine Schule zugewiesen, die etwa eine halbe Stunde mit dem Bus entfernt liegt.
Bildungsstadtrat Reinhard Naumann (SPD) weist die Vorwürfe zurück: "Es gibt klare Entscheidungskriterien." Kein Kind müsse gegen seinen Willen in einem anderen Bezirk zur Schule gehen. Natürlich könne im Ausnahmefall mal etwas übersehen werden, zumal die Eltern verstärkt von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, die Erwartungshaltung wachse, aber die Mitarbeiterzahl in der Behörde zusehends schrumpfe. "Allein für die 150 Plätze an Europaschulen in unserem Bezirk gab es 500 Bewerbungen."
Dass der Sturm auf die Gymnasien wächst, ist für Rechtsanwalt Claus Deparade auch Folge vermehrter Gymnasialempfehlungen auf Grund des neuen Grundschulgutachtens. "Es müssten deshalb mehr Plätze eingerichtet werden." Deparade vertritt unter anderem die Familie Mlodecky. Obwohl die Familie in Buckow wohnt, soll ihre Tochter nach den Ferien zur Albert-Schweitzer-Oberschule in Nord-Neukölln gehen. Sie wisse von vielen anderen, bei denen weder der Erst-, Zweit- noch Drittwunsch berücksichtigt wurde, sagt Sabine Mlodecky. Für die Mutter ist die Bezirksentscheidung auch ein Politikum: "Um den Anteil nicht deutscher Kinder in den Kiezschulen zu senken, mischt man absichtlich mit Kindern aus den Randgebieten."
Ein Verdacht, den Neuköllns Schulamtsleiter Jürgen Behrendt entschieden zurückweist. Längere Schulwege müssten in Kauf genommen werden: "Der Einschulungsbereich für Gymnasien umfasst eben ganz Berlin."

Der Artikel ist erschienen am 02. Juli 2003
2003 © Die Welt