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27.02.2003 - Morgenpost -

27.02.2003 - Berliner Morgenpost
Europaschüler benachteiligt

Kritik an starren Vorschriften für das Abitur und Einschränkung der Berufschancen
Von Christa Beckmann

Die staatlichen Europaschulen Berlin sollen Kinder auf die internationale Arbeitswelt von morgen vorbereiten. Doch statt Türen zu öffnen, werden Chancen blockiert, fürchten Eltern, Schüler und Lehrer. Ihre Kritik: Zu starre Vorschriften lassen Europaschülern bei der Fächerwahl in Oberstufe und Abitur nur einen Bruchteil der Möglichkeiten, die andere Gymnasiasten haben. Damit würden Studienmöglichkeiten eingeschränkt.
"Es kann nicht sein, dass die Europaschüler für ihre jahrelange Mehrbelastung nun auch noch bestraft werden", ärgert sich der Leiter der Schiller-Oberschule, Jürgen Panteleit. Das Charlottenburger Gymnasium ist Staatliche Europaschule mit der Partnersprache Englisch und richtet zum kommenden Schuljahr erstmals eine Oberstufe für zweisprachig ausgebildete Europaschüler ein. Denn im Sommer dieses Jahres beenden die ersten 25 Schüler aus dem 1992 gestarteten Pilotjahrgang der deutsch/englischen Europaschule die 10. Klasse.
Doch während Oberstufenschüler an "normalen" Gymnasien eine Fülle von Wahl- und Kombinationsmöglichkeiten für ihre Schwerpunkt- und damit auch Abiturfächer haben, gilt für Europaschüler ein starres Vorschriften-Korsett. Sie dürfen weder eine zweite Fremdsprache noch eine zweite Naturwissenschaft als Prüfungs- beziehungsweise Leistungsfach wählen. Auch Musik oder Kunst sind als Abiturfach tabu.
"Für unsere Kinder bedeutet das, dass sie an einigen englischen Universitäten keine Naturwissenschaft studieren können", sagt die Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, Marion Braun. Denn beispielsweise in Biochemie oder Medizin würden zwei Naturwissenschaften als Leistungsfächer in der Schule vorausgesetzt. Durch die strenge Festlegung könnten Schüler zudem nicht immer ihre leistungsstärksten Fächer als Prüfungsfächer wählen, sagt Schulleiter Panteleit: "Damit besteht die Gefahr, dass gute Schüler abwandern, weil sie bei uns nicht den gewünschten Numerus clausus erreichen." Auch Marion Braun fürchtet, dass sich viele Schüler gezwungen sehen, den Europaschul-Zweig zu verlassen. "Das wäre ein verheerendes Signal für die folgenden Jahrgänge."
In der Schulverwaltung will man die Kritikpunkte der Eltern und Schüler jetzt prüfen. Schulstaatssekretär Thomas Härtel setzt auf eine Besserung durch das neue Schulreformgesetz, das ein fünftes Prüfungsfach vorsieht. Doch das Gesetz liegt erst im Entwurf vor. Ob es schon zum kommenden Schuljahr in Kraft treten kann, ist fraglich.
Die 25 Europa-Schüler wollen sich nicht mehr in Geduld üben. Sie werden jetzt Protestbriefe an Bildungssenator Klaus Böger schicken.

Der Artikel ist erschienen am 27. Februar 2003
2003 © Verlag Berliner Morgenpost