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19.06.2003 - Berliner Zeitung -

19.06.2003 - Berliner Zeitung
Die Eltern müssen zahlen - doch wer kassiert?

Von Herbst an sind Schulbücher nicht mehr kostenlos. Lehrer und Eltern suchen Modelle, um ein Chaos zu verhindern
von Susanne Krieg und Tobias Miller

Viele Schulleiter müssen in diesen Tagen nachsitzen. Denn neben den Abiturprüfungen, Notenkonferenzen für Schulwechsler oder das Vorbereiten der Abschlussfeier müssen sie derzeit noch die Abschaffung der Lernmittelfreiheit organisieren. Nach dem Willen des SPD-PDS-Senats müssen die Eltern vom nächsten Schuljahr an bis zu 100 Euro pro Kind für den Kauf von Schulbüchern ausgeben. Erst vor drei Wochen erhielten die Schulen die entsprechenden Informationen von der Senatsbildungsverwaltung. Seither versuchen sie fieberhaft, die Schwierigkeiten zu lösen.
"Wir robben uns Tag für Tag an das Problem heran", sagt Angelika Weiss, stellvertretende Schulleiterin des Marie-Curie-Gesamtschule in Wilmersdorf. Welche Bücher müssen ersetzt werden, wie viele Klassensätze gibt es noch? Fragen, die erst geklärt werden mussten, bevor man die Bücherlisten für die einzelnen Klassenstufen zusammenzustellen kann. Mit diesen Listen sollen dann die Eltern einkaufen gehen. Der Neuwert aller auf der Liste aufgeführten Bücher darf den Betrag von 100 Euro nicht überschreiten, so lautet die Vorgabe des Senats. "Das wird in der Oberstufe ganz schön kompliziert", sagt Weiss. Jeder Schüler habe eine andere Kurskombination, da gebe es keine einheitliche Bücherliste.
In anderen Schulen ist ein großes Problem, dass noch gar nicht klar ist, welche Eltern überhaupt zum Einkaufen geschickt werden müssen. Denn einkommensschwache Familien, die zum Beispiel Sozialhilfe oder Wohngeld beziehen, sollen weiter die Bücher umsonst von der Schule bekommen. "Bei mir sind es voraussichtlich rund die Hälfte aller Kinder", sagt Werner Munk, Leiter der Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg. Das heißt, die Elternbeteiligung an den Lernmitteln wird seinen Etat nur wenig entlasten. Ein Problem, das alle Schulen in armen Stadtteilen haben. In wohlhabenderen Regionen dagegen werden sich rund 80 bis 90 Prozent der Eltern am Kauf der Bücher beteiligen können. Dort wird der Spielraum im verbleibenden Lernmitteletat für die Schulen etwas größer. Im Rat der Bürgermeister wurde bereits über einen Wertausgleich zwischen den Bezirken diskutiert.
Bei der Reinhardswald-Grundschule kommt hinzu, dass dort nach der Montessori-Pädagogik unterrichtet wird. "Wir arbeiten nur zur Hälfte mit Büchern", sagt Munk. Der Rest ist Unterrichts- und Spielmaterial und gilt nicht als Lernmittel.
Wegen der offenen Fragen hat die Senatsverwaltung jetzt intern eine Liste mit den "Häufig gestellten Fragen zur Neuordnung der Lernmittelfreiheit" an die Schulen geschickt. Darin geht es vor allem darum, wie die Elternbeteiligung organisiert wird. Wenn ein Verein die Bücher kauft und auch ausleiht, darf es keine Vermischung mit dem Buchbestand der Schule geben, heißt es. Untersagt ist auch, einen Lernmittelfonds zu schaffen, in den Schule und Eltern einzahlen. Unklar bleibt dagegen, wie sich die Schulen verhalten sollen, wenn Eltern keine Bücher kaufen.

Der Artikel ist erschienen am 19. Juni 2003
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