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04.04.2003 - Berliner Zeitung -

04.04.2003 - Berliner Zeitung
Eltern müssen bis zu 100 Euro für Schulbücher ausgeben

Koalition findet einen Kompromiss: Modell soll von August an gelten

Tobias Miller

Eltern von Schulkindern werden bereits nach den Sommerferien im August einen Teil der Kosten für Schulbücher selbst übernehmen müssen. Die Spitzen von SPD und PDS einigten sich gestern Abend auf einen Kompromiss. Demnach sollen Eltern pro Kind und Schuljahr Bücher im Neuwert von höchstens 100 Euro kaufen müssen. Die darüber hinaus benötigten Bücher werden weiter von den Schulen ausgeliehen. Sozialhilfeempfänger und Bezieher von Wohngeld bekommen die Bücher weiterhin kostenfrei. Die Regelung soll mindestens bis 2006 gelten. Man habe einen tragfähigen Kompromiss gefunden, sagte der PDS-Vorsitzende Stefan Liebich. Mit diesem Mischmodell werde gewährleistet, dass die Ausbildungskosten kein Hindernis für gleiche Bildungschancen sind, sagte sein SPD-Kollege Peter Strieder.
Mit der Entscheidung folgte der Koalitionsausschuss - das höchste Gremium des SPD-PDS-Regierungsbündnisses - in weiten Teilen einem Vorschlag von Bildungssenator Klaus Böger (SPD). Auch er hatte für eine Kostenbeteiligung der Eltern von maximal 100 Euro plädiert. Neu ist, dass die Eltern künftig von den Schulen eine Liste mit Büchern bekommen, die angeschafft werden müssen. Der gesamte Neupreis der genannten Bücher darf die Summe von 100 Euro nicht übersteigen. Da die Eltern diese Bücher auch gebraucht kaufen können, werde die jährliche Belastung der Familien deutlich unter der Obergrenze liegen, sagte der PDS-Vorsitzende Liebich.
Liebich und Strieder räumten ein, dass mit diesem Mischmodell nicht das angestrebte Sparziel von jährlich 15 Millionen Euro erreicht werden kann. Die Rede ist jetzt von 9,8 Millionen Euro. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) werde dies akzeptieren müssen, sagte Strieder. "Die Koalition hat entschieden." Dazu gehöre auch, dass die Schulen die Bücher ihres Bestandes auf künftigen Gebrauchtmärkten anbieten und die Einnahmen behalten dürfen.
Mit der Lernmittelfreiheit ist ein Streitthema in der Schulpolitik ausgeräumt. Unterschiedliche Positionen gibt es weiterhin hinsichtlich der Dauer der Schulzeit bis zum Abitur. Überraschend hatte Böger einen Gesetzentwurf mit einer Verkürzung um drei Monate am Dienstag durch den Senat gebracht. Die PDS hält wenig davon. Der Druck auf Lehrer und Schüler werde zu groß, der Zeitvorteil sei nur gering. Um öffentlichen Streit zu vermeiden, wurde am Donnerstag im Schulausschuss das Thema mit den rot-roten Stimmen vertagt.
Auch die Entscheidung über das Schulgesetz verzögert sich. Dieter Lenzen, FU-Vize-Präsident und Erziehungswissenschaftler, bezeichnete die Vorschläge gestern als unzureichend. Er forderte eine mutigere Entbürokratisierung der Schulen. Sie sollten selbst über die Einstellung von Lehrern entscheiden können. Der Schulleiter müsse weisungsbefugt gegenüber seinen Lehrern sein. Qualitätskontrollen dürften sich nicht nur auf Schüler beschränken, sondern müssten auch für Lehrer gelten.

Der Artikel ist erschienen am 4. April 2003
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